ALSTOM Lokomotiven Service GmbH (ALS)

Der in der Altmark liegende Standort Stendal hat eine lange Tradition in der Unterhaltung von Schienenfahrzeugen. Bereits am 18.10.1873 als „Central-Werkstatt der Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahn“ gegründet erfolgte 1881 die Umbenennung in „Königliche Eisenbahn-Hauptwerkstatt Stendal“. Zu dieser Zeit gehörte neben den noch allgegenwärtigen Dampflokomotiven auch der Wagenpark der Eisenbahngesellschaft zum unterhaltenen Fahrzeugpark. Nach Gründung der Deutschen Reichsbahngesellschaft firmierte der Stendal unter der Bezeichnung „Reichsbahnausbesserungswerk“ (RAW).

Infolge der Zerstörung eines Großteiles der Anlagen erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg ein nahezu kompletter Neuaufbau des Werkes, in dem bereits 1949 das erste Baumuster einer nach dem System Wendler kohlenstaubgefeuerten Dampflok entstand. Als RAW der Deutschen Reichsbahn der DDR oblag Stendal in den Folgejahren schwerpunktmäßig die Unterhaltung der Güterzuglokomotiven der Baureihen 50 und 52.

Der einsetzende Traktionswechsel sowie die Konzentration der Dampflokunterhaltung auf das Werk im Thüringischen Meiningen erfolgte im Werk Stendal eine umfangreiche Neuausrichtung. Am 12.03.1975 konnte die erste Lok des Typs V 100 (BR 110, später BR 201-204) nach durchgeführter Hauptuntersuchung abgenommen werden. Gut vier Jahre später verließ die letzte von nach dem Krieg insgesamt 25.420 instandgesetzten Dampflokomotiven Stendal, das sich nunmehr auf die Dieseltraktion konzentrierte.

Die Anfang der 1990er Jahre beginnende Ausmusterung der betreuten Baureihen ließ auch das im Werk absolvierte Arbeitsaufkommen sinken. Die verstärkte Umstellung von Nebenbahnbedienungen auf Dieseltriebwagen, SPNV-Abbestellungen sowie starke Rückgänge im Schienengüterverkehr bedingten erste Stillegungsabsichten bezüglich des Stendaler Werkes. Zwar konnten Kapazitäten mit der Übernahme der Unterhaltung der Baureihen 211 bis 214 vom Werk Bremen sowie der Nebenbahnfahrzeuge (u.a. Klv 53) der ehemaligen Deutschen Bundesbahn vom Werk Kassel ausgelastet werden, insgesamt war aber bereits ein deutlicher negativer Trend zu erkennen.

Schließung oder große Zukunft?

Mit Gründung der Deutschen Bahn AG begann eine Berg- und Talfahrt des Standortes. Der zunächst erfolgten Zuteilung zum Geschäftsbereich „Traktion und Werke“ folgte 1998 mit Auflösung des Geschäftsbereiches und Zuteilung zu den einzelnen operativen Gesellschaften die Umfirmierung in „DB Regio AG, Werk Stendal“. Bereits Mitte der 1990er Jahre führte der stark verminderte Bedarf an Loks des Typs V 100 zu ersten Schließungsplänen, derer man sich vor Ort durch entschlossenen Widerstand bei gleichzeitigem Hoffen auf die positiven Auswirkungen der Bahnreform widersetzte.

Bereits früh hatte man in Stendal den Bedarf der neuen Privatbahnen an Lokomotiven des Leistungsbereiches um 1.000 kW erkannt. Als die Deutsche Bahn AG 1999 erstmals den freihändigen Verkauf ausgemusterter Loks der Typen 201/202 sowie 211/212 gestattete, konnten schnell erste Kunden für das mittlerweile als „Schienenfahrzeugzentrum Stendal“ (SFZ) der DB Regio AG agierende Werk gewonnen werden.

Als erste Lokomotive konnte nach erfolgreich abgenommener Hauptuntersuchung am 08.10.1999 die V 1201 der Mittelweserbahn GmbH (MWB) ausgeliefert werden, der für die gleiche Gesellschaft im folgenden Jahr zwei weitere Maschinen folgten.

Pünktlich zur Messe „Innotrans“ im September 2000 konnte Stendal die komplett modernisierte Lokomotive 203 001 einem breiten Publikum präsentieren. Auf der Spenderlok 202 349 aufgebaut hatte die einem Neubau gleichkommende Maschine einen modernen Motor des Typs MTU 12V 4000 mit 1.240 kW sowie ein überarbeitetes Getriebe und Funkfernsteuerung erhalten. Gleichzeitig erfolgte eine Wiederertüchtigung für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Mit der Einführung dieses neuen Produktes stellte sich schnell heraus, dass man eine Entscheidung in die richtige Richtung getroffen hatte. Die für den Bauzugdienst als auch den mittelschweren Güterzugdienst gut geeignete Fahrzeug wurde durch die Privatbahnen mit Begeisterung aufgenommen. Stand nun endlich auch eine leistungsfähige Alternative zu den bisher verwendeten V 60 (650 kW) zur Verfügung, die durch einen hohen Modernisierungsgrad starke Kostenvorteile im Bereich der Instandhaltung gegenüber bisher eingesetzten Loks ermöglichte. Zudem stellen vollmodernisierte Lokomotiven eine deutlich kostengünstigere Alternative zu vergleichsweise teuren Neubauloks dar. Gerade zu Beginn der Liberalisierung des Schienenverkehrs für die noch jungen und meist nicht mit dicker Kapitaldecke ausgestatten Privatbahnen ein wichtiges Argument.

Neustart und Restrukturierung

Der mangelnde eigene Bedarf der Deutschen Bahn AG am Werk Stendal führte Anfang diesen Jahrhunderts zu intensivierten Verhandlungen zwischen der DB AG und dem ALSTOM-Konzern. Am 09.07.2002 erfolgte die Unterzeichnung des Kooperationsvertrages der beiden Gesellschaften durch den DB AG-Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn sowie ALSTOM-Präsident Michel Moreau als Ergebnis. Mit der Integration des weltweit agierenden Verkehrstechnik-Konzerns ALSTOM in das Joint-Venture kann auf umfangreiches Know-How sowie gut ausgebaute Vertriebskanäle zurückgegriffen werden.

Mit der Gründung der ALSTOM Lokomotiven Service GmbH (ALS) und der Aufnahme der Geschäftstätigkeit der neuen Gesellschaft am 01.11.2002 wurde der Standort Stendal mit einem Personalstamm von rund 165 Mitarbeiter/innen langfristig gesichert.

Alstom-Übernahme, H 3-Neubau statt 203 und 214

Alstom und die DB Mobility Network Logistics AG haben im Mai 2012 einen Vertrag zur Übernahme der von der DB Mobility Network Logistics AG gehaltenen 49 Prozent der Anteile an dem gemeinsamen Joint Venture ALSTOM Lokomotiven Service GmbH in Stendal gezeichnet. Die ALSTOM Deutschland GmbH wird damit nach knapp elf Jahren zum Alleingesellschafter.

In den Jahren 2015 bzw. 2016 lief die Produktion der Vollmodernisierungen aus. Von den Loks der Baureihe 203 wurden über 100 Loks ausgeliefert, insgesamt 36 V 100 wurden zu 214ern umgebaut. Die letzte hauptuntersuchte West-V 100 aus dem mit Gründung des Werkes übernommenen Lokpool verließ am 02.11.2016 das Gelände. Seit 2014 werden in Stendal Rangierloks des Typs Prima H3 gefertigt.